Der Ochsen in Pleidelsheim

von Th. Bolay

Ein Streifzug durch die Geschichte seiner Bewohner und des Dorfes

Zu den geschichtlich interessanten Gasthäusern im Kreise Ludwigsburg zählt unzweifelhaft das Gasthaus "zum Ochsen" in Pleidelsheim.
Erbaut an einem bedeutenden Verkehrsweg, welcher vom Neckar- und Enztal hinüber ins Bottwartal führt, verrät dieser stolze Fachwerkbau schon rein äusserlich die Bedeutung, die ihm sein Erbauer vor rund 350 Jahren zugemessen hat. Im Stil einer fränkischen Hofanlage hat der Metzger und Wirt Hans Maier, Sohn des Veit Maier in Steinheim an der Murr im Jahre 1644, vermutlich auf den Resten einer alten Hofanlage den Ochsen erbaut. Am 15. August 1598 hatte sich Hans Maier mit Anna Bürklin, der Witwe des Hans Bürklin erstmals verheiratet, aber nur 12 Jahre sollte es ihr vergönnt gewesen sein, im neuerbauten Gasthaus als "Ochsenwirtin" zu schalten und zu walten. Am 4. Dez. 1626 verstarb sie.
In 2. Ehe vermählte sich der Ochsenwirt mit der verwitweten Anna Reichhardt. Er genoss Ansehen unter seinen Mitbürgern, wurde Bürgermeister und 1629 gar Schultheiss.

Wenige Jahre, nachdem er das Gasthaus erbaut hatte, brach der Dreissigjährige Krieg aus und kurz zuvor, ehe sich dieser auf Schwaben ausdehnte, war es ihm noch gelungen 1623 ein Stallgebäude zu erstellen. Schon Im April des Jahres 1622 zogen Heerhaufen durch die Gegend und Misswachs verursachte aller Orten eine Teurung. In der nahen Amtsstadt war in diesem Jahr der Preis für den Eimer Wein von 13 auf 40 Gulden gestiegen, ein Laib Brot kostete einen Gulden und mit Sorgen sah Ochsenwirt Maier der Zukunft entgegen. Die guten Münzen wurden immer seltener und die fast wertlosen neugeprägten Hirschgulden, die kaum 10 Kreuzer Wert hatten, waren zuletzt den Kindern auf der Strasse ein willkommenes Spielzeug.

Viel Jammer und Elend brachte das Jahr 1626. Die Frühjahrsfröste hatten dem Rebwerk geschadet und unter der langanhaltenden Nässe litt das Getreide. Neue Preissteigerungen waren die Folge und der allgemeinen Hungersnot folgte die Pest. Der einzige Sohn Veit Maier, der am 8. Sept. 1601 in Pleidelsheim geboren worden war und sich am 8. März. 1625 mit Katharina Mayer aus Murr verheiratet hatte, fiel ihr am 25. Nov. 1626 zum Opfer. Seine Witwe verheiratete sich 1628 in Murr mit Sebastian Baur von Unterweissach, der während des Krieges zwischen 1630 und 38 gestorben ist. In der gleichen Zeit starb auch der Ochsenwirt und Schultheiss Hans Maier an der Pest und schwere Zeiten lagen über dem Dorfe.
Waren im Jahre 1615 534 Communikanten und 304 Katecheten vom Pfarrer in seiner Seelenliste verzeichnet, so war ihre Zahl im Jahre 1639 bis auf 48 Communikanten und 15 Katecheten zurückgegangen. Auf 79120 Gulden belief sich der Schaden, der in den Jahren 1634 - 38 allein in Pleidelsheim durch die Kriegswirren entstanden war, wie aus einen Bericht des Marbacher Vogtes (1653) zu entnehmen ist. Und wir fühlen mit ihm seinen Schmerz, wenn wir in seinem damaligen Bericht weiter lesen:
"Und ist nit allein im Einfall In der Hauptplünderung, sondern auch in gefolgten schwehren Costbaren Quartieren unndt Durchzügen mit Zerreissung und Zerschlagung der Häusser und Gebäu In Dorfschaften, auch in den Vorstädten bey der Stadt solcher Schaden geschehen, welcher widerumb zu repariren wenigst erfordert hat und noch erfordert 30000 Gulden. Allermeistenss aber ist Höchlischst zu bedauren und zu beclagen, dass Sich bey der laidigen Landocupation eine ansehnliche unndt dapfere Mannschafft Von 1946 Burgern in Satt und Ambt effective befunden, hernach aber bey Ihro Fürstl. Gnaden höchst erfreulichen inumission Sich mehrers nit mehr befunden, alss 293 Burger, welche von dem Rachschwert, Hunger unndt Pestilents noch ybrig gebliben, andern in solcher zeith seel. abgeleibter Persohnen, deren sich etliche Taussendt in der Anzahl befunden worden, allhie zue geschweigen. Welcher Fehler dann neben der Unsicherheit auch disses caustirt, dass in disser Zeit in Statt und Ambt 24589 Morgen Weingardten In underschiedlichen Jahren Unndt der Mehrere theil noch uff disse stund (1653) wüest, Item 12250 Morgen ackhers oedt unndt wüest gestelt, unndt zue menniglichs höchstem Nachtheil unndt schaden nit gebaut worden können, so wohlen, allss gn. Herrschafft ratione deren darbey habenden interesses annovh unndt hinfüro wo nit Besserung folget, zue entgelten haben, welcher schaden dan yber alles gar nicht zue ästimiren unndt genugsamb zue beschreiben."
Noch lange Zeit lagen Hofstätten und Plätze, weil sie in der Kriegszeit herrenlos geworden waren, in Trümmer. Gras wucherte darüber und noch dem Jahre 1697 wird aus Pleidelheim berichtet:
''Von uhralter Zeit her liegen wüst und herrenlos: Äcker 6 Morgen, Weingardt 4 Morgen ".
Und in einen Bericht von Jahre 1698 heisst es;
"Seit den alten Krieg liegt daselbst wüst :An Hofstätt und Plätzen 15, welche aber dermahlen Gärten seind."
Das Jahr 1638 brachte erneute Heimsuchung durch kaiserliche Truppen. Alle Dörfer wurden ausgeplündert, die Früchte auf dem Felde von den Pferden zertreten und gefressen, jeder Vorrat Lebensmitteln von den Truppen weggenommen oder verdorben, und die Bewohner in den Dörfern sahen sich genötigt, in den benachbarten festen Plätzen Zuflucht zu nehmen. So flüchtete auch Pfarrer Raph mit der Mehrzahl der Pleidelsheimer Bevölkerung, soweit sie noch am Leben war, um erst im Jahre 1640 wieder zurückzukehren. (1634 waren 500 Communik. und 253 Catecheten verzeichnet, 1639 nur noch 48 Comm. und 15 Catecheten). In dieser Fluchtzeit hatte die inzwischen wieder zur Witwe gewordene Katharina Maier vermutlich im Jahre 1639 in Marbach Johann Uschalk, Geheimkanzellist der. Reginentskanzlei, der ebenfalls Witwer geworden war, kennen gelernt und mit ihm eine neue Ehe e.ingegangen. 1640 kam dieses Paar nun wieder nach Pleidelheim, wo der Mann alsbald Schultheissenamtsverweser und im folgenden Jahr 1641 Schultheiss wurde.
Am 27. Febr. 1642 wurde ihnen In Pleidelhein ihr 2. Sohn Hans Adam Uschalk geboren, der am 21.10.1662 mit Burga Meulin aus Eglosheim gemeinsam mit seinem etwas älteren Bruder Johann Melchior ,der mit Maria Barbara Grüningen, Gastgebers Tochter aus Marbach, am gleichen Tage in Pleidelsheim Doppelhochzeit feierte. Dieser Johann Melchior wurde später ebenfalls Schultheiss in Pleidelsheim. Wenige Wochen nach dieser Doppelhochzeit starb Johann Uschalk an 6. Nov.1662 und sein Sohn Hans Adam, der das Metzgerhandwerk erlernt hatte, wurde nun Ochsenwirt. Die Ehe wer aber nur von kurzer Dauer und bereits am 15. Aug. 1665 verheiratete er sich zum zweitenmal mit Anna Magdalena Dietterich. Ob die Beiden wohl damals dachten, dass auch ihnen auf dem Ochsen in Pleidelheim schwere Zeitenbeschieden sein würden? -

Im Jahre 1687 waren die Bürger von Pleidelheim übereingekommen, ein Gesuch, anlässlich des Landvogtgerichtes an den Herzog zu richten, dass es ihnen gestattet sein möge, in ihrem Dorfe einen Jahrmarkt abzuhalten. Als nun im folgenden Jahre 1688 das Landvogtgericht erneut in Pleidelheim abgehalten worden war, wurde von der Bürgerschaft darum nachgesucht, den Hochfürstl. Räthen von ihrem Antrag Kenntnis zu geben. Daraufhin wurden die umliegenden Orte befragt und als das Jahrmarktrecht genehmigt worden war, hinderten die folgenden Kriegswirren die Einführung dieser Marktgerechtigkeit. Besonders hart wurde die Stadt Marbach in diesem Kriege mitgenommen. 1688 wurde sie von den Franzosen eingenommen und geplündert und zahlreiche Ortschaften bekamen den Krieg zu spüren. Auch Pleidelheim erlebte den Einfall der französischen Heere.

Gegen Ende des Jahres räumten die Franzosen, alles zerstörend das Land. Weit schlimmeres Schicksal bereitete aber der neue Einfall im Jahre 1693. Nachdem bereits Im Mai des Jahres ein franz. Heer gegen Heilbronn vorgerückt war, zog ein weiteres Heer unter dem Befehl des franz. Thronfolgers, des Dauphins, von den Niederlanden her und vereinigte sich am 25. Juli mit ersterem. Der Dauphin bezog nun in Eglosheim sein Hauptquartier. Das deutsche Heer hatte sich längs der Schozach aufgestellt und um dieses Heer anzugreifen, überschritten die Franzosen an 28. Juli bei Beihingen den Neckar. Das Hauptquartier wurde nun nach Pleidelheim verlegt und nach mündlichen Überlieferungen soll dieses Quartier sich im "Ochsen" befunden haben. Ein Chronist berichtete über die bereits am 28. Juli ausgesandten Streifkorps: "Furcht und Schrecken gingen vor ihnen her, Verheerung bezeichnete ihre Schritte, Verödung blieben hinter ihnen zurück." "Marbach, Winnenden, Beilstein, Murr, Grossbottwar wurden niedergebrannt und fast kein Städtchen oder Dorf, das den Franzosen erreichbar war, blieb verschont."
Während sich die Anführer im Gasthaus zum Ochsen in ihrem Quartier befanden, lagerte das Heer in der weiten Ebene am Neckar. Am 31. Juli rück ten die Heere über Ottmarsheim und bis an die Schozach vor. "Sie beschleunigten ihren Abzug und den 31. Juli führten sie ihre Bagage und Artillerie bey Pleidelsheim über den Neckar, da an selbigen Abend ein solcher Sturm in ihrem Lager und in dem Dorf eine solche förchterliche Brunst entstand, dass viele generaln an Pferden, Silbergeschirr und an andern einen grossen Verlust hatten und einige Bediente verbrannten, wobey eine solche Verwirrung sich äusserte, dass mit weniger Mannschaft ihre ganze Armee hätte zu Grunde gerichtet werden können." (Sattler)
Das Hauptquartier des Dauphin wurde nach Ilsfeld verlegt. Die Reiterei wurde gegen Gruppenbach vorgeschickt, weshalb Markgraf Ludwig von Baden das Weinsberger Tal und Löwenstein besetzen liess .Der Dauphin beabsichtigte am 2. August der Angriff zu wagen, allein er erkannte die grossen Schwierigkeiten und zog einen frühzeitigen Rückzug weiteren Opfern vor. Er brach das Gefecht ab und lagerte mit seinem Heere an 6. August wieder bei Pleidelsheim. Der "Ochsen", der von der Brandkatastrophe , welcher damals 5 Häuser zum Opfer gefallen waren, verschont geblieben war, bildete, wieder den Sitz des Hauptquartiers. Und am 9. August kam nun zwischen dem Französischen Intendanten Monsieur de la Grange und Herrn Franz Friedrich Würz, Fürstl. Württ. RentkammerSekretarius wegen der Bezahlungen der Contributionen, welche das Herzogtum von Anfang dieses Krieges her dem franz. König zu bezahlen schuldig war, ein Contributionsakkord im Lager zu Pleidelsheim zustande, dessen Hauptinhalt folgender war:
"Es verspricht ermeldter Herr Würz, dass ihrer Kgl. May. oder an deren zu Strassburg subsistierenden Rentmeister der extraordinairen Kriegs-Cassa durch den Herrn Herzog und die besagte Landschafft soll bezahlt werden die Summe von 1 280000 Pfund in solchen Geld, das zu Strassburg gäng und gebe ist, zusambt einen Sol auf jedes Pfund oder Livre und zwar Dreymalhundert tausend Pfund baar, andere 300000 Pfund zwischen hier und dem letzten nächstkünfftigen Monats Decembg. so dann die übrigen 600000 Pfund in den sechs ersten Monaten des nächstkünfftigen Jahrs zu gleichen Zielen ... Damit man aber der Zahlung halber diser zwölfmalhundert tausend Pfund und das alles, was in disem Vergleich enthalten ist, richtig gehalten werde, versichert seyn möge, also verspricht ermeldter Herr Würz denselben durch den Fürsten so wohl für sich, als für seine LandStände in der besten Form es seyn kan ratificiren zu lassen und solche Ratification zwischen dato und längst dem 15.ten diss Monats einzuliefern nebst 6 Geisseln aus den führnehmsten Räthen, der Geistlichkeit und den MagistratsPersonen der Württembergischen Städte, woraus die besagten Landstände bestehen, welche zu Strassburg sollen behalten werden, biss entweder solche Summe wird bezahlt sein, oder biss sie werden genugsam Bürgschaft gestellt haben nach welchem sie mit Passeporten versehen und in aller Sicherheit sollen zurück und nach Haus geschickt werden ... "Von Seiten aber des ermelten Herrn de la Grange Ist versprochen worden, ... dass selbiges Land in gänzlicher Freyheit Handels und Wandels soll erhalten werden und verhindern, dass den Einwohnern einiges Leyd nicht geschehe, sie auch von der Miliz und allem, was davon dependiret, weder durch Brand, noch sonsten an ihrem Leib, Mobilien, Viehe oder ihrem andern Vermögen nicht beschädigt werden sollen ..."

Dieser Contributionsakkord wurde hernach nicht eingehalten. Statt der vertragsmässigen 6 Geisseln wurden deren 14 nach Stressburg geführt und arg misshandelt, später aber vertragswidrig nach Metz gebracht, und daselbst in ungesunde Kerker gesperrt, so dass zwei davon der grausamen Behandlung unterlagen.

(Martens verlegt das Brandunglück vom 31. Juli auf den 12. August) Vom 12. auf 13. Auguit wurde das franz. Heer zwischen Kleiningersheim und Besigheim aufgestellt und das Hauptquartier in Heutingsheim bezogen. Überall in den umliegenden Orten wurde geplündert und die Leute wurden misshandelt, was selbst franz. Schriftsteller in Ihren Aufzeichnungen zugegeben haben. Die kluggewählte Stellung des Markgrafen von Baden bei Lauffen und Heilbronn machten ein weiteres Vorrücken der Franzosen unmög lich. Ungewitter und Überschwemmungen im Neckar- und Murrtal nötigten den Dauphin zur Umkehr und bereits am 30. August befand sich das franz. Heer jenseits der Landesgrenze. Fast überall fanden die Soldaten noch Zeit, die Glocken von den Kirchtürmen herabzuholen und wegzuführen, nur die Pleidelsheiner Glocken blieben von diesen verschont.
Der Krieg hatte furchtbares Elend hinterlassen. Noch lange blieben seine Wunden sichtbar und noch in Jahre 1697 wurde von Pleidelsheim berichtet;
"In der frz. letzten Invasion und darnach seynd eingefallen, verbrandt, abgebrochen, und seither nicht mehr gebaut worden: Gebäu 14. Seit angefangenem gegenwärtigem frz. Krieg wurden ferner Güther wüst gelegt und ohnbewohnt gelassen, so zwar nicht herrenlos seyndt: Lehre Häuser 12; Äcker 20 Morgen, Weingarten 15 Morgen. Bürgerliche Einwohner waren vorhanden vor dem letzten frz. Einfall 120. Und seynd würklich noch zugegen, worunter 16 Wittib begriffen 95."
Und nach jedem Krieg hielt die Unsicherheit im Lande ihren Einzug und forderte ihre Opfer. So erging es auch dem Ochsenwirt Hans Adam Uschalk. Er hatte den Krieg glücklich überstanden, war vielleicht in sicherem Unterschlupf verborgen gewesen, nun aber sollte ihn des Schicksal doch noch ereilen: In der Nacht des 15. Juli 1694 wurde er vermutlich auf dem Heimweg in den Hohmtweinbergen mit 6 Säbelhieben aus seinem eigenen Säbel, den ihm streunende Felddiebe entrissen hatten, erschlagen. Sein an 30. Dez. 1670 geborener Sohn Johann Melchior II. seit dem 24. Okt. 1693 mit Anna Elisabeth Metzger von Kirchheim verheiratet, übernahm nun das Gewerbe als Gastgeber und Ochsenwirt und war gleichzeitig Unterpfleger des benachbarten Klosters Steinheim.
Im Jahre 1700 war hoher Besuch in Plleidelsheim. Herzog Eberhard "hatte vom Schloss Liebenstein in den Flecken gekommen auf dem Rathaus logieret". Weil nun der Ort eine bequeme Situation habe, habe der Herzog versichert, dass Pleidelheim einen Jahrmarkt erhalten würde, wenn seine Bewohner darum einkommen würden. Die Bewohner von Pleidelheim berichteten nun, dass sie bereits Im Jahre 1687 darum eingekommen seien, "aber der leydige franz. Einfall geschehen, welcher verursachet, dass wür nicht nur allein das gnädigst verwilligte Jahrmarktsrecht füglich nicht exerziren können, sondern auch und da wür anno 1693 gar in die trübselige Flucht gehen alles mit dem Rücken ansehen müssen, und die Statt Marbach sammt dem Archiv und allen schriftlichen Dokumentis in dem Rauch auf- unsser diss orts ausgebrachtes Hochfürstl.schrift Privilegium und Befehl verlohren gegangen." Sie suchten nun erneut darum nach "sonderlich dass der hisige Fleckhen ein über 100 Bürger bestehend topfebene und einen Marckh darinn aufzurichten, sehr bequemer Orth ist." Die Regierung liess nun in den benachbarten Orten Umfragen halten, wie diese zu der Sache stünden, und so zog sich die Angelegenheit bis in den Sommer 1708 hin. Und d in einer neuen Eingabe berichteten Schultheiss, Gericht und Rat von Pleidelheim zu welchem besonderen Wohlstand es dem Flecken dienen würde, wenn auch wegen des Tabakbauens und des Handels die Abhaltung eines Marktes genehmigt werde. Die Einführung des Marktes wurde daraufhin nach weiterem Hin und Her wegen Festlegung eines Termins genehmigt.
Johann Melchior Uschalk II. verstarb am 31. Juli 1736. Seine Tochter Anna Elisabeth Uschalk, geb. 20. Nov. 1700 hatte am 24. Nov. 1722 in Pleidelsheim den in Besigheim am 11. Nov. 1701 geborenen Christian Ludwig Eckhard geheiratet. Dieser Tochtermann wurde nun Handelsmann und Ochsenwirt. Über 40 Jahre stand er nun der Gastwirtschaft vor, bis ihn 1778 der Tod ereilte. Ein Nebengebäude des Ochsen hatte er seinem Sohn Christian Melchior (1727-1782) vererbt und dessen Tochter Johanna Sophia Eckhard geb. 29. Mai 1730 verheiratete sich am 15. Juni 1762 mit Georg Adam Häussermann vom Frühmesshof, der am 4. Febr. 1814 als Ochsenwirt in Pleidelhein verschied. Der Sohn Christian Friedrich Ludwig Häussermann am 28. Sept. 1765 in Pleidelheim geboren, verheiratete sich am 18. Juli 1789 mit Eva Magdalena Krautter von Unterweissach. Diese Ochsenwirtsleute waren die Schwiegereltern des berühmten Schultheissen Johannes Nefflen.

Die am 7. Nov. 1791 geborene Tochter Regine Friederike Häussermann heiratete am 10. Febr. 1811 den am 1. Febr. 1786 In Bönnigheim geborenen Johannes Wein, der am 29. Sept. 1842 als Metzger und Ochsenwirt in Pleidelheim verstarb und dessen unmittelbare Nachfahren bis heute noch auf dem "Ochsen" sitzen.
Während nun Johannes Wein Ochsenwirt war, verkehrte Johannes Nefflen häufig im Hause seines Schwagers und seiner Schwiegermutter. Der Schwiegervater selbst war bereits am 1. Febr. 1808 gestorben.
Johannes Nefflen war um 5. Nov. 1789 als Sohn des Stiftsküfers zu Oberstenfeld geboren, hatte schon in den ersten Jahren seinen Vater durch einen raschen Tod verloren, aber in dem Volksschullehrer Elsässer in Vaihingen/Filder einen wohlwollenden und verständigen zweiten Vater erhalten, der seine musikalische und sprachliche Veranlagung erkannte und förderte. Im Jahre 1815 wurde er Amtssubstitut der Gemeinden Murr und Pleidelsheim und noch in demselben Jahre vom Kgl. Landvogteiamt zum wirklichen Schultheissen von Pleidelsheim enannt. Hier fand er einen ihn befriedigenden Wirkungskreis, warf sich mit viel Eifer und Geschick und Erfolg auf die Landwirtschaft, führte neue Kulturen ein, hob den Wohlstand des Ortes und lenkte die Aufmerksamkeit weitester Kreise auf sich. Für eine tüchtige, im landw. Korrespondenzblatt veröffentlichte Arbeit über den landwirtschaftlichen Betrieb seiner Gemeinde verlieh 'ihr König Wilhelm I. die silberne Medaille für landwirtschaftlichen Fortschritt.
Die Pleidelsheimer wussten, wen sie an ihrem Schultheissen hatten. 1831 wurde er in die Abgeordnetenkammer gewählt, wo er als einer der einflussreichsten Redner galt. Dadurch verfeindete er sich aber mit den Beamten des Marbacher Bezirks, die ihn als Volksvertreter
unmöglich zu machen suchten.
Seine Waffe aber war die Satire. Im Laufe der Jahre hatte er als ein gründlicher Kenner des Volkes und der Gemeinden heitere und satirische Skizzen niedergeschrieben, die unter dem bezeichnenden Titel "Vetter aus Schwaben" 1837 erstmals als Sammlung erschienen. Rasch war die erste Auflage Von 2500 Stück abgesetzt, ein Zeichen dafür, wie sehr es ihm gelungen war, das Herz des Volkes anzusprechen.
Nach 22-jähriger gesegneter, aber vielfach missverstandener Tätigkeit wurde ihm 1837 von oben der Rat erteilt, sein Amt aufzugeben und sich eine andere Beschäftigung zu erwählen. Noch im selben Jahre kaufte er sich in Hessental bei Hall die "Krone", die in der Folgezeit ihres originellen Besitzers wegen, eine stark besuchte Gaststätte wurde. Weitere schriftliche Veröffentlichungen bezogen politische und persönliche Gegner auf sich und im Jahre 1838 kam er 2 Jahre lang als politischer Gefangener auf den Hohenasperg. Hier entstand die zweite verbesserte Auflage seines "Vetters aus Schwaben" und man merkt es diesem Buche durchaus nicht an, dass es auf diesem "Herrenberg" entstanden ist. Die Teuerungsjahre, die nun folgten, und die Sorge um seine Kinder ,die 1845 ihre treubesorgte Mutter durch den Tod verloren hatten, liessen ihn die Freiheit nicht mehr recht froh werden. 1845 verkaufte er sein Wirtschaftsgut und zog nach Hall, um in einer Redaktion tätig zu sein. Kurz zuvor, hatte er sein 2. Werk: "Der von Freudental" vollendet, dessen köstliche Vorrede die Worte enthält: "Sag, was du willst, die Welt liegt im Argen! Es geht alles den Krebsgang. Entweder sind wir in der letzten Zeit, welche die schlimmste sein soll, oder kommen wir zur ersten zurück ..."
1846 siedelte er dann nach Heilbronn über, wo er neben seinem Beruf als Gründer und Leiter des demokratischen Vereins sich der Tagespolitik widmete. 1848 flüchtete er nach Strassburg, um von dort aus die Proklamation der deutschen Republik abzuwarten. Als er sich in seinen Hoffnungen getäuscht sah, wanderte der ehemalige Pleidelheimer Schultheiss 1849 nach Amerika aus, wo er dann um 6. Januar 1858 an der Wassersucht bei einem Sohne in Cumberland, County Allegany im Staate Maryland starb. Sein Schwager, der Metzger und Ochsenwirt Johannes Wein war am 29. Sept. 1842 in Pleidelheim verstorben und dessen Sohn Johann Friedrich Wein, geb. am 2. Juni 1816 (gestorben 22.3.1877), verheiratete sich am 8. Nov. 1842 mit Magdalena Friederike Wildt, Lammwirtstochter von Kleingartach, und übernahm nun den "Ochsen".

Nach ihm kam sein Sohn Wilhelm Wein, geb. am 2. Dez. 1850, der mit Pauline Michelfelder aus Wüstenhausen, sich am 23. Sept. 1875 verheiratet hatte, auf die Wirtschaft. Bereits am 3. April 1889 verstarb er und seine Witwe war dann in zweiter Ehe mit Karl Füchtner aus Bissingen verheiratet. Der am 3. August 1876 geborene Anton Richard Wein übernahm alsdann das Gasthaus und die Metzgerei. Aus seiner 2. Ehe mit Frida Wildermuth, der Schwester seiner 1912 verstorbenen ersten Ehefrau Elise Christine, stammen 2 Söhne, deren ältester Wilhelm Richard Weinheute Ochsenwirt in Pleidelsheim ist. Der Vater ist noch geistig überaus rüstig, doch zwingt ihn ein Leiden mit dem Gehen sparsam zu sein! Zwar sind für ihn die Zeiten vorüber als in seinem Keller "Der Wein 6 Schuh hoch herumlief", doch erzählt er gerne dem Fremden, der bei Ihm Einkehr hält die Geschichte seines Hauses, über dessen Stalltürsturz im Hofe nebst dem Namen des Erbauers und der Jahreszahl 1623 der Spruch steht:

"GOT DIE EHR"

Theodor Bolay, 1943

Theodor Bolays Quellenmaterial:
Handschriften: Stammbaum der Familie Wein in Pleidelsheim, zusammengestellt von Pfarrer Fr. Schwarz, Hirschlanden 1943 im Privatbesitz der Familie Richard Wein in Pleidelsheim.

Akten aus den Beständen des Hauptstaatsarchivs in Stuttgart.

Akten aus den Beständen des Staatsarchivs in ?burg.
Bücher:

Sattler: Geschichte Württembergs unter den Herzögen

Martens: Geschichte der innerhalb der gegenwärtigen
Gränzen des Königreichs Württemberg vorgefallenen kriegerischen Ereignisse. 1847

Förstner: Heimatbuch des Oberamtsbezirks Marbach. 19??

Oberamtsbeschreibung von Marbach 1866

I. Nefflens Werke, herausgegeben von A. Holder, 1888



Den vorliegenden Artikel, erhielt ich von Herrn Richard Wein anlässlich eines Besuchs im "Ochsen" 1982.
Ich wurde dort sehr herzlich empfangen.
Herr Wein bewirtschaftete den "Ochsen" nicht mehr selber, und hatte ihn verpachtet.
Jost Schaper, im August 2005

 

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s. auch "Schillerverwandtschaft", die die Erbfolge im "Ochsen" aufzeigt.

 

 




 


Letzte Aktualisierung: 28.07.2007