Die Quäker - Gesellschaft der Freunde in Pyrmont

 

 

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Nach dem Tode ihres Mannes, Dr. Rudolf Jankowsky, schloss sich Elisabeth der 'Gesellschaft der Freunde' - "Quäker" - an und blieb aktives Mitglied, bis zu ihrem Tod 1965.
Als überzeugte Pazifistin und nicht-kirchliche Christin, hatte sie in den Quäkern eine Heimat gefunden. Was sie aber am Meisten überzeugt hatte, war die friedliche Verweigerung dieser Gruppe gewesen, das Naziregime anzuerkennen.

Gern erzählte sie von den Versuchen der Staatssicherheit (bis 1945), die Versammlungen der Quäker auszuforschen:
"Sobald der Sprecher der Gruppe, der vorn saß und alle Besucher im Auge hatte, bemerkte, dass sich eine unbekannte Person im Versammlungsraum befand, legte er seine Aktentasche hin. Waren wir unter uns, stand die Tasche auf dem Tisch. Abgesehen davon, dass wir keine politischen Diskussionen abhielten, gab dies uns allen ein großes Gefühl der Sicherheit."

Für uns, ihre Enkel, waren die häufigen Besuche englischer "Ladies", die sie besuchten, bald keine Besonderheit mehr, und wir lernten kleine englische Kinderreime wie "Jack and Jill" oder "Hot cross buns".

Schon bald nach dem Krieg, unternahm Elisabeth Reisen nach England und Schottland.
Sicher ist es auch dieser Verbindung zu verdanken, dass das 'Quäker-Rest-Home", als die Verträge mit dem Pyrmonter 'Josefshaus' ausliefen, während der Wintermonate eine Heimat im 'Birkenhaus' fand.


 

Außerhalb der beiden großen christlichen Kirchen fanden mehrere Sekten in Pyrmont Anhänger. Am bekanntesten wurden die Quäker, die „Religiöse Gesellschaft der Freunde", die nirgends auf dem europäischen Fest lande so fest Wurzeln geschlagen hat wie in Bad Pyrmont.

1790 schlossen sich hier etwa 20 Menschen zusammen, die im Geiste des Pietismus, abgesondert von der lutherischen Kirche, ihre eigenen Zusammenkünfte und ihren Gottesdienst abhielten. Die Quäkerin Sarah Grubb besuchte mit ihren Begleitern für mehrere Wochen diesen Kreis, weil sie bei ihm Interesse für ihre Gedanken erwartete. Und wirklich traten die bekanntesten Mitglieder der „Frommen" bald zu den Quäkern über. Ihr Führer wurde „ein banquerot gewordener Krämer namens Seebaum aus Pyrmont", Ludwig Seebohm.

Seebohm hatte in Rinteln eine Quäkergemeinde gegründet, war aber seiner religiösen Anschauung wegen aus Schaumburg und auch aus Preußen ausgewiesen worden. Mit Genehmigung des Fürsten Friedrich von Waldeck-Pyrmont ließ er sich in einem schmalen Seitentale des Pyrmonter Kessels nieder, das „gänzlich dazu geeignet ist, eine sanfte Schwärmerei sowohl zu nähren als auch zu erzeugen" (Schmid), und gab der kleinen Siedlung den Namen „Friedensthal". - Bald kam es zu Zusammenstößen mit der Behörde: Ludwig Seebohm übte Kritik an der Kirchenverfassung und wurde in Haft genommen. Nach seiner Freilassung weigerten er und der Böttcher Heinrich Meier, ebenfalls ein Quäker, sich, das weihnachtliche Kirchenopfer von einem Groschen zu bezahlen. Auch fand man „die ganze Brüderschaft" am Feste „Drei Könige" arbeitend vor. Diese und ähnliche Vorfälle führten zu einer Anzeige in Arolsen. Der aufgeklärte, tolerante Fürst Friedrich sah aber von einer Bestrafung ab und ließ den Quäkern 1791 durch das Oberamt sagen, „sie könnten ihre Alfanzereyen so lange treiben, als die öffentliche Ruhe und Ordnung nicht dabei litte und kein Aufsehen und Ärgernis erregt würde. Das neue Betragen auch die Obrigkeit, so töricht und lächerlich es sei, sollte als eine Schwachheit angesehen werden. Sie könnten also duzen und bedeckt bleiben (die Quäker redeten alle Menschen mit „Du" an und nahmen vor niemandem den Hut ab), soviel sie wollten, jedoch nicht im Oberamte, als nur zu der ihnen angesagten Stunde, erscheinen. - Das Arbeiter an Feiertagen würde man ignorieren, solange es keine Störung und kein Aufsehen verursachen würde. - Wie man einen Schwätzer getrost allein seine Torheiten deklamieren lassen solle, bis er ihrer überdrüssig sei, so wolle er auch die Quäker ihr Wesen treiben lassen." Wenn sie die vorgeschriebenen Gebühren zahlten, so sollten „ihre närrischen Possen mit Gleichgültigkeit und Mitleid angesehen werden". - Zum Teil dienten diese beleidigenden Worte wohl nur dazu, die eigenen streng lutherischen Untertanen zu besänftigen; denn als 1792 die ansässigen Mitglieder der Sekte ihn baten, die vertriebenen Schaumburger Quäker ins Pyrmontische aufzunehmen, willfahrte er dieser Bitte sofort. - Eine Befreiung vom Kriegsdienst - die Quäker sind Kriegsdienstverweigerer - sprach er nicht aus, doch verfuhren die Behörden in allen Fällen sehr milde.

Die bürgerliche Existenz. der Pyrmonter „Freunde" war also gesichert; es gab freilich nur sehr wenige, die nicht arm waren. Deshalb errichtete Seebohm, vom Fürsten, der jede Ansiedlung von Manufaktur förderte, großzügig mit Geld und Baumaterialien unterstützt, in Gemeinschaft mit dem Messerfabrikanten Fränke eine Messerfabrik; eine Wollhandlung, eine Leinenspinn- und -weberei, eine Papierfabrik und eine Buchdruckerei folgten. So konnte sich die Gemeinde wirtschaftlich gut entwickeln. In den besten Jahren beschäftigten ihre Unternehmen ungefähr 100 Arbeiter. Als Gewerbetreibende waren die Quäker wegen ihrer Redlichkeit, Pünktlichkeit und ihrer „ächten Waren" hoch geschätzt.

Große Sorge wandten sie der Erziehung der Jugend zu. Neben der Leitung all seiner Unternehmen fand Seebohm noch die Zeit, eine Schule zu gründen. Seit 1796 unterrichtete er in seinem Hause in Friedensthal etwa 25 Kinder und schrieb sogar die Schulbücher selbst. Die Londoner Jahresversammlung der Quäker setzte ihm dafür ein bescheidenes Gehalt aus. - Auch englische und amerikanische Kinder besuchten diese Anstalt, in der neben den Realien und der deutschen Sprache Latein, Französisch und Englisch gelehrt wurde.

Die kleine Gemeinde nahm einen neuen Aufschwung, als 1794 der Amerikaner John Pemberton auf einer Missionsreise durch Deutschland nach Friedensthal kam und auch andere amerikanische und englische Mitglieder der Sekte ihre Glaubensbrüder besuchten. Pemberton starb 1795 in Pyrmont und wurde auf dem Friedhof, den die „Freunde" an der Bombergallee angelegt hatten, begraben. Obwohl weder der evangelische Geistliche noch der evangelische Friedhof in Anspruch genommen wurden, zog die Kirche von den Quäkern 27 mgr ein. Der Begleiter des Verstorbenen, Alexander Wilson, USA, führte bittere Klage darüber mit den Worten der Bibel: „Sie sind gefräßige Hunde, die nie satt werden können; Hirten sind sie, die nichts verstehen." - lm Verlauf dieser Auseinandersetzung erklärte sich Konsistorialrat Steinmetz, bereit, für immer auf kirchlichen Gebühren der Sekte zu verzichten, wenn diese die Verzichterklärung ausdrücklich als nur für ihn selbst und nicht auch für seine Nachfolger geltend anerkennen würde; aber sie lehnte das ab.

1797 setzte ein neuer Zustrom der „Freunde" ein, diesmal aus Minden, wo der preußische König ihnen jegliches „exercitium publicum et privatum" (jede öffentliche und private Ausübung ihres Gottesdienstes) untersagt hatte. (Das Verbot wurde schon 1799 wieder aufgehoben). - So schuf man 1800 einen besonderen Schulneubau und errichtete neben dem Friedhof ein Haus mit mehreren Nebengelassen für die Zusammenkünfte; Menke bezeichnet es als „kleines, einfaches Gebäude ohne Turm und Glocke". Für den Bau hatten die Glaubensbrüder in London, die hofften, in dem berühmten Badeorte Gelegenheit für ihr Wirken zu finden, allein 500 Pfund Sterling zur Verfügung gestellt. Er wurde der Mittelpunkt für alle Quäker auf dem Festland. Bei seiner Eröffnung sollen 1 000 Besucher zugegen gewesen sein.

Das erste 'Quäkerhaus' in Bad Pyrmont Das neue Quäkerhaus in Bad Pyrmont
Das alte ... und das neue Quäkerhaus

 

Auch Andersgläubige nahmen Anteil am Leben der „Freunde": Goethe und die Königin Luise besuchten den Gottesdienst, und nach ihnen fanden sich immer mehr Gäste ein.

Allmählich erstarrte jedoch das religiöse Leben der Gemeinde, und es kam zu unerquicklichen Streitigkeiten zwischen den einzelnen Mitgliedern. Während der Freiheitskriege ging die Zahl der Quäker sehr zurück. Einige nahmen sogar am Kampfe gegen Napoleon teil. Vergeblich bemühte sich das "Continental-Committee", der Vorläufer des nach dem Weltkriege gegründeten C. I. S. (Council for International Service), ihnen neue Impulse zu geben.

1883 meldete das Pyrmonter Wochenblatt: „Von der früher weit und breit angesehenen und geachteten Quäkerkolonie ist nun fast nichts mehr vorhanden als der Name „Friedensthal", der daran erinnert. Die sog. Quäker sind teils gestorben, teils verzogen oder zur lutherischen Religion übergetreten. Der letzte dieser Religionsgemeinschaft will nächstes Frühjahr Pyrmont verlassen." Dieser letzte war der Fotograf Reinecke, der bis zu seiner Auswanderung nach Amerika den Quäkerfriedhof und das Versammlungshaus betreute. - 1893 verkauften die englischen Besitzer das Grundstück an der Bombergallee mit dem Gebäude.

Erst nach dem ersten Weltkriege veranstaltete die „Religiöse Gesellschaft" wieder Zusammenkünfte in Bad Pyrmont. Sie fanden so gute Beteiligung, dass die deutschen Mitglieder das alte Haus, das in den Besitz des Krankenhauses St. Georg über gegangen war und von diesem auf Abbruch verkauft wurde, erwarben und 1932/33 unter Verwendung seiner Ziegel und Balken ein neues an der Nordseite des Quäkerfriedhofes errichteten. - Wieder trugen die Glaubensbrüder in England einen großen Teil der Baukosten. - 1933 kam man zum ersten Male in dem neuen Gebäude zusammen.

 

Wegen ihrer Verdienste um das besiegte und ausgehungerte deutsche Volk nach 1918 wurde die Gemeinschaft nicht wie andere Sekten von der nationalsozialistischen Regierung verboten.

Als 1936 der Fastenarzt Dr. Buchinger, ein Mitglied der „Religiösen Gesellschaft", seine Klinik von Witzenhausen an der Werra nach Bad Pyrmont verlegte, erhielten die Quäker hier für lange Jahre einen neuen geistigen Führer. 1967 umfasste die Pyrmonter Gemeinde 32 Mitglieder, die jeden Sonntag in ihrem. Hause an der Bombergallee eine „schweigende Andacht" abhalten.

(Aus: Chronik von Bad Pyrmont, Luise Stemler, II. Teil, Geschichte der Stadt Bad Pyrmont, 1967, S. 477 ff )