von Albert Steen, Bremen  
   
 
 


 

Es gibt Menschen, die einem, kaum daß man sie kennenlernte, nahe sind. Woran liegt es?
Daran, meine ich, daß sie selbst keine Winkelzüge machen". Sie gehen den geraden Weg, und da kommt man nicht an ihnen vorbei. Anders gesagt: Man muß sie lieben.
Zu dieser Art Menschen hat Elisabeth Jankowsky gehört, unsere nun verstorbene Freundin. Sie konnte bei allem Humor, der Ihr eigen und der uns so erholsam war, durchaus auch einmal zornig sein: aber aus Liebe. In ihrem Wesen, möchte ich sagen, trafen sich Altes und Neues Testament. Zeugnis davon gaben mir einige Verse, angeführt in dem Brief, den sie mir wenige Tage vor ihrem Tode schrieb:

Dem Mann gebt Strafen, die schon Moses setzte,
der das Gesetz gedankenlos verletzte.
Ein Seliger, wenn wissend er's zerbricht:
ihn traf aus Fernen her ein hell'res Licht.

Das Wort „gedankenlos" glaubte Elisabeth unterstreichen zu sollen; denn Gedankenlosigkeit, so fügte sie hinzu, sei eine Sünde. Wie vieles Böse geschieht heute gedankenlos! Vielleicht geschähe es nicht, wenn wir alle uns mehr Gedanken machen würden, wenn wir uns aus unserer Müdigkeit aufrütteln ließen?

Elisabeth Jankowsky hat sich kaum einmal gestattet, müde zu sein. So oft ich in Pyrmont in der Andacht war, sie war da — bis zuletzt, und immer bei der Sache, mit Herz und Kopf.
Wer sie gekannt hat, der wird sie nie vergessen. - Albert Steen

aus: Der Quäker, Inhaltsverzeichnis des XXXX. Jahrgangs Januar S. 16